Geschichte der VFW 614
Mit der VFW614 wurde ein neuer Abschnitt in der Nachkriegsentwicklung der deutschen Luftfahrtindustrie eingeleitet und ein entscheidender Meilenstein in der Geschichte für den zivilen Flugzeugbau in Deutschland markiert. Mit diesem Projekt folgte die VFW GmbH in den 60er Jahren einer dringenden Anregung der Bundesregierung an die deutsche Flugzeugindustrie, sich für ihre Existenz nicht mehr ausschließlich auf öffentliche, d. h. überwiegend militärische Aufträge zu verlassen, sondern sich verstärkt dem zivilen Markt zuzuwenden, um die Abhängigkeit des Unternehmens von den wechselnden Bedürfnissen auf dem wehrtechnischen Sektor zu verringern.
Die VFW614 war für den Regional- und Zubringerverkehr konzipiert und technisch ein einzigartiges und gelungenes Flugzeug, das sich mit seinen fortschrittlichen Zweikreistriebwerken durch Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit auszeichnete und als leisestes Strahlverkehrsflugzeug galt. Trotzdem blieb der VFW614 der erwartete Verkaufserfolg versagt. Ölkrise und wirtschaftliche Probleme im Luftverkehr der 70er Jahre, Finanzierungsschwierigkeiten, unüberwindliche Hürden im Vertriebskonzept führten zu einem vorzeitigen Abbruch des Programms. Die VFW614 war bezüglich ihrer Zielsetzung, den Düsenluftverkehr auch auf kürzeren Strecken einzuführen und die in diesem Marktsegment weltweit noch verwendeten Propellerflugzeuge abzulösen, ihrer Zeit um 20 Jahre voraus. Sie sollte schon damals den Fluggästen die besonderen Vorzüge des Strahlantriebes auch im Regionalverkehr zugänglich machen. Dies aber gelang erst in den neunziger Jahren, in denen eine Vielzahl von konkurrierenden Herstellern den Regionalluftverkehr erfolgreich eroberte.
Die VFW 614 wurde 1965 als Kurzstreckenmaschine konzipiert und zielte insbesondere auf den Markt der Entwicklungsländer ab. Einige Besonderheiten des Flugzeugs haben in dieser Zielsetzung ihren Ursprung, so zum Beispiel das augenscheinlichste Merkmal, die auf den Tragflächen montierten Triebwerke. Diese Montageposition ermöglicht ein recht kurzes und damit leichtes und stabiles Fahrwerk, was insbesondere für Starts und Landungen auf weniger gut befestigten Landepisten sehr günstig ist. Außerdem bedeutet die hohe Triebwerksposition besseren Schutz vor Staub und Dreck, der vom Boden aufgewirbelt werden kann. Der Verzicht auf einen Umkehrschub zum Bremsen nach der Landung bedeutet geringere Strukturbelastungen und damit weniger Wartungsaufwand, die Verzögerung wurde durch eine extrem gute Bremsanlage (mit ABS) und Bremsklappen auf den Flügeloberseiten sichergestellt.
Im Laufe der Entwicklung der VFW 614 schlossen sich die Vereinigten Flugtechnischen Werke GmbH (VFW) mit Fokker zum Unternehmen VFW-Fokker GmbH zusammen. Nach dem Erstflug 1971 und einem Absturz des ersten Prototypen in der Erprobungsphase ging die VFW 614 im Jahr 1974 in Serie. Gebaut wurden 19 Flugzeuge, davon gingen 13 in Dienst.
Ende der siebziger Jahre wurde das Programm VFW 614 eingestellt, da über längere Zeit keine Bestellungen mehr eingegangen waren. Die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine Fortführung des Programms waren nicht mehr gegeben. Das anlaufende europäische Airbusprogramm mit zunächst erheblichen Vertriebsproblemen aufgrund der harten US-Konkurrenz erhielt die notwendige Priorität. Dabei attestierte selbst Boeing der VFW 614 damals absolute Konkurrenzlosigkeit aufgrund des hohen technischen Standards.
Es existierten Anfang 1998 noch 5 flugfähige Exemplare, davon drei bei der Bundesluftwaffe, eines bei der DLR in Braunschweig und eines bei Airbus DASA in Bremen. Die Flugzeuge der Bundesluftwaffe (Flugbereitschaft BMVg) wurden nach 21-jähriger erfolgreicher Dienstzeit im Jahr 1998 ausgemustert und wurden dann für Bodentraining, als Simulator oder als Museumsflugzeug verwendet. Die DASA-Maschine befand sich einige Jare als Ausstellungsflugzeug auf dem Bremer Flughafen. Inzwischen ist sie auf dem Werksgelände bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder auf der Freiluft-Museumswiese geparkt. Das DLR-Flugzeug (Versuchsträger ATTAS) wurde noch einige Jahre in der Forschung eingesetzt und war das letzte fliegende Exemplar. Seit 2012 ist es im Deutschen Museum – Flugwerft Schleißheim bei München zu bestaunen.
Hans Bardill-Das unvergessliche Leben des Schweizer Testpiloten Hans Bardill
Mit der VFW614 wurde ein neuer Abschnitt in der Nachkriegsentwicklung der deutschen Luftfahrtindustrie eingeleitet und ein entscheidender Meilenstein in der Geschichte für den zivilen Flugzeugbau in Deutschland markiert.
Ausführlichere Informationen finden sich im umfangreichen Vortrag über die VFW 614 von Joachim Kruth (PDF-Format).
Philipp Jordan, Joachim Kruth (Freundeskreis VFW 614), Zeichnungen der G3 von Bastian Mail